Ein Aufruf zur Menschlichkeit!

Wir schreiben das 21. Jahrhundert. Mittlerweile umfasst die Zahl der Weltbevölkerung rund 7,8 Milliarden Menschen – Menschen, die sich auf den technischen sowie kulturellen Fortschritt fokussieren und zeitgleich mit Stolz dessen Errungenschaften triumphieren. Unter ihnen sind Menschen, die der Überzeugung sind, dass diverse Vertragsschlüsse und das Verabschieden von Gesetzen, ein Garant für die Etablierung von Frieden und Schutz zugunsten der Menschheit sind und ihnen essenzielle Menschenrechte verleihen. Doch wieso existiert trotz dessen, so viel Leid auf der Welt? Haben wir als Menschen versagt, menschlich zu sein? Tatsächlich sticht der Misserfolg von Humanität zunehmend ins Auge. Die Dekadenz von moralischen Werten wird von Tag zu Tag markanter. 

Überall wo ich hinschaue, sehe ich Leid – Leid, den sich Menschen bewusst gegenseitig zufügen. Ich sehe Leid in den Augen meiner Schüler, die mit ihren Familien aus Kriegsländern, einst ihrer Heimat, geflohen sind. Ich erlebe wie Verwandtschaften sowie Freundschaften in Brüche gehen, wie Menschen um materielle Dinge wettstreiten, wie Kriege geführt werden, wie Menschen sich gegenseitig erbarmungslos ermorden, und vor allem wie die Kluft zwischen Arm und Reich rapide wächst. Hochmut, Neid und Feindseligkeit stellen überwiegend die Auslöser für solches Leid dar – Merkmale, die keinesfalls den moralischen Werten eines Menschen entsprechen, geschweige den Charakter eines gläubigen Ahmadi Muslimen widerspiegeln. 

„Ich sehe Menschen, aber keine Menschlichkeit“ 

Was impliziert Menschlichkeit überhaupt? Human zu sein besagt nicht, perfekt zu sein. Selbstverständlich ist kein Mensch makellos, dennoch sollte ich als ein menschliches Wesen, primär als gläubige Ahmadi Muslima, darum bestrebt sein, meinen Mitmenschen möglichst tugendhaft zu begegnen. Seit jeher fällt ein Name für den Inbegriff für Menschlichkeit – eine Person, dessen Makellosigkeit unübertreffbar ist: Es ist unser geliebter Meister, der König unter den Propheten, der Heilige Prophet Muhammad (Friede und Segnungen Allahs seien auf ihm). Er legte die besten moralischen Eigenschaften an den Tag, die die Welt derzeit am meisten benötigt. Allah würdigt ihn für diese im Kapitel 33, Vers 22 des Heiligen Korans wie folgt: 

„Wahrlich, ihr habt an dem Propheten Allahs ein schönes Vorbild für jeden, der auf Allah und den Letzten Tag hofft und Allahs häufig gedenkt.“ (33:22) 

Zweifellos wies unser geliebter Meister einen noblen Charakter auf und dient somit nicht nur als Inspiration, sondern fungiert vielmehr als Wegweiser und Vorbild für jeden von uns, für alle Zeiten. Ein Einblick in seine Biografie, zeigt uns, die tugendhaften Eigenschaften jeden seiner Schritte und Taten: 

Aufgrund seiner aufrichtigen Ehrlichkeit wurde er „ Amin“ – der Zuverlässige – genannt; Lug und Trug sowie Ungerechtigkeit, hingegen, waren ein Fremdwort für ihn. Obwohl ihm von Allah dem Erhabenen ein hoher Rang zuteil geworden ist, genoss er ein einfaches Leben voller Demut und Bescheidenheit. Diese einfache Lebensweise brachte er im Besonderen mittels seinem Essverhalten, seiner Wohnweise sowie seinem Kleidungsstil zum Ausdruck. Materieller Wohlstand und Ansehen empfand er als belanglos. Vielmehr bemühte er sich darum, die Armen und Bedürftigen finanziell zu unterstützen, mit ihnen einen barmherzigen, freundlichen und gerechten Umgang zu pflegen und ihren Status in der Gesellschaft zu heben. Zudem favorisierte er die Befreiung von damaligen Sklaven. Das Bewundernswerteste zeigte sich in seinem Verhalten gegenüber seinen Feinden und Kriegsgefangenen. Er war stets darauf bedacht, ihnen zu vergeben und Frieden mit ihnen zu 

schließen. Des Weiteren, hielt er sich selbst und auch andere davon ab, die Fehler seiner Mitmenschen öffentlich preiszugeben, indem er die Menschheit auf Folgendes hinwies: 

„Wenn jemand die Fehler eines anderen verdeckt, wird Gott die seinen am Gerichtstage bedecken.“ 

Im Allgemeinen war er ein Befürworter der Menschenrechte, in jeglicher Hinsicht. Mit seinem tugendhaften Auftreten faszinierte er nicht nur seine Anhänger, sondern eroberte damit vor allem die Herzen seiner Feinde. 

Wir selbst sind Zeuge davon, wie wir uns oftmals, nach dem Sprichwort, wie er/sie mir Schlechtes angetan hat, so werde ich ihn/ihr auch Schlechte antun, zur Nachahmung verleiten lassen. Oder wie wir eine fröhliche Miene fingieren, welche uneins mit unseren inneren Gefühlen ist, ausschließlich um unserem Gegenüber in dem Glauben zu lassen, dass wir seine Freude teilen. Wir müssen dieser paradoxen Verhaltensweise ein Ende setzen, indem wir unsere Herzen reinigen und versuchen tatsächlich unser Äußeres, mittels Worte, Mimik und Gestik, mit unserer inneren Gefühlslage eins werden zu lassen. Lediglich auf diese Weise sind wir in der Lage der wunderschönen Lehre des Gesandten Allahs Folge zu leisten, und unseren Mitmenschen aufrichtig dasselbe zu wünschen, wie einem selbst: 

Niemand von euch ist ein wahrer Gläubiger, solange er nicht das für andere wünscht, was er für sich selbst wünscht. “ (BUKHARI) 

Bis zu seinem letzten Atemzug behielt der Heilige Prophet hohe moralische Qualitäten bei. Auf gleicher Weise müssen wir menschliche Werte als fortwährend betrachten und dementsprechend diese bis unser Lebensende wahren. Nur so können wir wahrhaftig im Einklang mit unserem Glauben sein und dessen wahren Lehren nach außen hin repräsentieren. 

Seine Heiligkeit, Khalif und Oberhaupt der weltweiten Ahmadiyya Muslim Jamaat, Hadhrat Mirza Masroor Ahmad (möge Allah sein Helfer sein), lenkt stets, seinen Worten Nachdruck verleihend, unser Augenmerk darauf, dass der Dienst an der Menschheit ein fundamentaler Teil unseres Glaubens ist: 

„Anderen Erleichterung zu bringen und das körperliche und seelische Leid der Menschheit zu lindern, ist unsere Mission und ein integraler Bestandteil unseres Glaubens. [] Das ist der wahre Islam. Er ist eine Religion des Mitgefühls und der Nächstenliebe, und eine Religion die erstrebt, die Mauern der Ungerechtigkeit, die uns voneinander trennen, durch die Kraft der Liebe und der Menschlichkeit loszureißen.“ 

Einzig dies ist der Schlüssel zur Erlangung von Allahs Liebe! 

Noch heute können wir gemeinsam ein Zeichen der Menschlichkeit setzen! Dafür müssen wir anfangen aneinander zu respektieren. Rücksicht ist geboten, indem wir unsere Worte und Taten mit Bedacht einsetzen. Wir müssen den Mut fassen, für unsere Fehler um Verzeihung zu bitten, aber auch parallel die Fehler anderer zu vergeben. Wir müssen mehr als je zuvor aufblicken, den Leid anderer anerkennend, ihnen unser Mitgefühl entgegenbringen. Zugleich müssen wir jedoch auch die Freuden anderer teilen, um schließlich nicht nur in schweren Tagen, sondern auch in guten Zeiten füreinander da zu sein. 

Quellen: 

Ahmad, Mirza Baschir ud-Din Mahmud (1948): Muhammad – Das Leben des Heiligen Propheten https://ahmadiyya.de/bibliothek/art/garten-der-rechtschaffenen/ 

Ansprache von Hadhrat Mirza Masroor Ahmad (atba), Khalifatul Masih V, weltweites Oberhaupt der Ahmadiyya Muslim Gemeinde anlässlich der Moscheeeröffnung in Walsall, England am 15.05.2018