Es bleibt stumm

Eine medienkritische Reflexion

Heute erscheint außer der neuen Corona-Fahrpläne für die Bundesländer keine brisante Meldung mehr auf dem Sperrbildschirm meines Smartphones. Abends scrolle ich routiniert, die letzten Instagram-Meldungen der Newsportale durch. Schwer betroffen sehe ich Bilder einer Moschee in Husum, die in der Vergangenheit bereits durch rechtsextremistische Parolen beschmiert und nun Opfer vom schonungslosen Vandalismus wurde. Doch es bleibt nicht dabei, zwei Tage später wird eine Moschee in Leipzig von 100 vermummten Linksextremisten angegriffen. Die schrecklichen Nachrichten über die Angriffe auf die Gotteshäuser erhalte ich nicht von renommierten Nachrichtensendern – nein. Diese werden mir durch den gewohnten Algorithmus, durch Profile mit einer geringen Reichweite zugespielt. Die Schlagzeilen der Leitmedien über die grausamen Geschehnisse bleiben bedauerlicherweise aus. 

Sollte mich diese Erkenntnis noch überraschen? Sind bestimmte Faktoren für die Auswahl eines Ereignisses nicht relevant genug, wird das Geschehen ignoriert und nach einigen Tagen kann das Ereignis dezent unter den Teppich gekehrt werden. So funktioniert eben die Nachrichtenwerttheorie und nicht anders. Die Beschädigungen und Angriffe auf die muslimischen Gotteshäuser, sind für die heutigen Journalist*innen wohl nicht berichtenswert genug. Wieso bloß? Weil Muslim*innen jetzt womöglich die Opferrolle einnehmen könnten? Stimmt, in der Medienrealtiät existieren ja grundsätzlich ganz gegensätzliche Stereotype von Muslim*innen. Gewohnt ist das breite Publikum eine ganz konträre Medienberichterstattung über Muslim*innen. Schlagartig würde die Mehrheitsgesellschaft kein Feindbild mehr präsentiert bekommen und die Auseinandersetzung mit etwas „Fremden”, wäre eine ganz neue.

Die Wendung der Medaille könnte womöglich völlig aus dem Ruder laufen und die Rollen müssten neu verteilt werden – das ist ja die bescheidene Gesellschaft nicht gewohnt. Denn das bisherige Agenda-Setting über den Islam und die Muslim*innen spielt eine ganz andere Musik. Wie wären die Akzentuierungen der Medien, wenn es eine andere Religionsrichtung betroffen hätte? Blieben die Headlines aus, weil es sich um die Gotteshäuser von Muslim*innen handelt? Gotteshäuser, die ein Ort der Niederwerfung, ein Ort an dem sich Gläubige zurückziehen und durch ihre Gebete am Seile Gottes festhalten und Seine nähe aufsuchen, darstellen. Gebetshäuser aller Glaubensrichtungen, sei es eine Synagoge, ein Tempel, eine Kirche oder eine Moschee, es sind Orte, in denen „Allahs Name oft genannt wird“. Nach dem Heiligen Quran stehen sie ausdrücklich unter dem Schutz Allahs (22:41). Sie sollten auf keiner Art und Weise benachteiligt werden, doch hier sprechen wir unglücklicherweise von einem Vandalismus an Gotteshäusern. In einer Gesellschaft, die Religionsfreiheit großschreibt, sollte der Schutz der Einrichtungen selbstverständlich sein.

Dass wieder einmal die Gefühle der Minderheiten-Community verletzt wurden, scheint wohl die Medienagenda nicht zu interessieren. Die Schlagzeilen bleiben aus, die Islamfeindlichkeit erreicht das höchste Niveau und nimmt weiter gemütlich ihren Lauf. Vielleicht möchten die Medienmacher auch Zerrbilder um die Islamberichterstattung vermeiden, doch liebe Medien-Community: an Quellen mangelt es nicht. Muslim*innen stehen bereit für offene, aufklärende Gespräche auf Augenhöhe- sprechen Sie mit uns.