Im Namen Allahs, des Gnädigen, des Barmherzigen
Vor einigen Jahren schenkte mein Schwager uns ein Buch mit einem interessanten Titel: „Die fünf Geheimnisse, die Sie entdecken sollten, bevor Sie sterben.“ Zunächst war ich etwas perplex über den Titel. Doch der Inhalt erwies sich als äußerst spannend! Der Autor des Buches, John Izzo, befragte Menschen zwischen 60 und 106 Jahren nach den Geheimnissen eines guten Lebens. Erstaunlicherweise stimmten die meisten Antworten letztlich überein. Die fünf Geheimnisse waren folgende: Seien sie sich treu. Leben sie so, dass Sie später nichts zu bereuen haben. Lassen Sie die Liebe in sich lebendig werden. Leben Sie im Augenblick. Geben Sie mehr als sie nehmen. Der Autor schlussfolgert letztlich: „Wir müssen nicht warten, bis wir alt sind, um weise zu werden. Wir können die Geheimnisse des Lebens in jedem Alter entdecken, und je eher wir sie entdecken, desto erfüllter wird unser Leben sein.“
In der heutigen schnelllebigen Zeit, in der wir vom Kapitalismus und von fragwürdigen Standards der Gesellschaft getrieben werden, ist es schwer die Weisheit neben all dem genüsslich zu löffeln. Und die Weisheit in die Wiege gelegt zu bekommen, könnte man als Privileg bezeichnen. Die islamische Lehre macht genau das. Sie legt den Kindern von Geburt an die Weisheit und all die Geheimnisse für ein erfülltes Leben quasi in die Wiege. Jetzt liegt es an den Eltern und irgendwann an den Kindern selbst, daran festzuhalten und diese zu entfalten. Neben dem Heiligen Qur’an gibt es die Ahadith1, die als Leitfaden für unser leben fungieren, an denen wir uns entlang hangeln können, um ein weitestgehend erfülltes Leben anzustreben. Es werden die kleinsten Details für den Alltag und die religiöse Praxis erläutert. Einwände, diese Richtlinien seien vermeintlich total überholt, stoßen meinerseits auf großes Unverständnis. Denn dieses Regelwerk ist universell und wurde für jedes Zeitalter offenbart.
Auch die von John Izzo erörterten fünf Geheimnisse für ein erfülltes Leben sind in der islamischen Lehre wiederzufinden. Hier eine Gegenüberstellung bzw. ein Vergleich:
Das erste Geheiminis: Sich selbst treu bleiben.
Sich also zu fragen, ob das eigene Leben nach den Dingen ausgerichtet ist, die einem wirklich wichtig sind. Der Autor gibt den Lesern/Innen zur wöchentlichen Reflexion Fragestellungen mit auf dem Weg. Eine weitere Frage lautet: Habe ich in dieser Woche im Einklang mit meinen Überzeugungen gehandelt? Im Islam ist die Selbstreflexion sehr wichtig. Man wird stets dazu angehalten, die eigenen Taten zu hinterfragen bzw. sich selbst zum positiven zu verbessern. Des Weiteren ist es ein Leben, in das die islamischen Regelungen fest integriert sind, von enormer Bereicherung.
Das zweite Geheimnis: So zu leben, dass man später nichts zu bereuen hat.
Die Frage, die seitens des Autors damit einhergeht: Habe ich in dieser Woche im Einklang mit meinen Überzeugungen gehandelt? Dieses Geheimnis geht eigentlich mit dem ersten einher. In der islamischen Praxis sollte die Erlangung nach dem Wohlgefallen Allahs an erster Stelle stehen und dies geht mit frommen Absichten einher. Also sollte stets Taqwah2 im Herzen getragen werden. Dieser hält uns nämlich dazu an, mit Ehrfurcht im Herzen zu handeln. Eine von Ehrfurcht vor Allah geprägte Lebensweise kann dazu führen, dass wir letztlich nichts (bzw. wenig) zu bereuen haben und zufrieden mit unserem Tun sind. Und wenn uns Fehler passieren, was natürlich und menschlich ist, dann sollten wir diese aus tiefsten Herzen bereuen!
Das dritte Geheimnis: Die Liebe in sich lebendig werden lassen.
Fragen, die der Autor mitgibt: War ich wohlwollend und liebevoll zu den Menschen, die mir nahestehen? Habe ich es zugelassen, dass materielle Dinge Vorrang vor Menschen hatten? Der Respekt gegenüber den Mitmenschen ist eine essenzielle islamische Tugend. In einem Hadith kommt zum Vorschein, dass Allah diejenigen liebt, die mit Seinen Geschöpfen liebevoll umgehen.3
Das vierte Geheimnis: Im Augenblick zu leben.
Hier soll man sich fragen, ob man achtsam durchs Leben gegangen ist oder nur durch den Alltag gehetzt. Hier geht es also um Entschleunigung im Alltag. Auch im Islam werden wir dazu angehalten, mit Bedacht den Alltag zu gestalten. Allein das fünfmalige Gebet hält hierzu an, in sich zu gehen, zu reflektieren und ein cool down zu erleben in Mitten der Hektik des Alltags. Eine Frage die man sich hier selbst täglich stellen kann: Bin ich so, wie ich heute agiere, bereit vor meinen Schöpfer zu treten? Denn es könnte ja jeder Tag der letzte sein! Steve Jobs hat hierzu eine für mich sehr prägende Aussage getroffen: „I have looked in the mirror every morning and asked myself: „If today were the last day of my life would I want to do what I am about to do today? And whenever the answer has been „No“ for too many days in a row, I know I need to change something.“4 Und so sollten auch wir unseren Alltag bewusst begehen. Einem Leben im Jenseits vor sich betrachtend. Denn eine Yolo-Lebensweise würde uns langfristig nie erfüllen.
Und das letzte Geheimnis, das die befragten älteren Personen dem Autor verrieten, ist: Mehr zu geben als zu nehmen. Der Autor empfiehlt sich an dieser Stelle zu fragen, ob man freundlich, großzügig und freigiebig war. Und auch hier lässt sich sagen, dass die islamische Lehre die gebende Hand befürwortet und gutheißt. In einem Hadith heißt es hierzu beispielsweise, dass man sich gegenseitig beschenken sollte, da dies die zwischenmenschliche Liebe fördert.5
Die fünf Geheimnisses aus dem Buch sind ein Ausschnitt aus den im Islam ohnehin schon verankerten zahlreichen Richtlinien für Zufriedenheit. Ich würde sie in diesem Kontext nicht als Geheimnis, sondern als Wegweiser bezeichnen, die es anzuwenden gilt. Sie liegen quasi vor uns. Wir müssen sie lediglich beherzigen und in unseren Alltag integrieren. Dennoch sind die vom Autor mitgegeben Fragen sehr praktisch, um wöchentlich das eigene Verhalten zu reflektieren. Sich Ideen und Maßnahmen aus Ratgebern abzuschauen, die uns helfen, nach den islamischen Prinzipien zu leben, also Barmherzigkeit und Gutmütigkeit, sind auf jeden Fall bereichernd und es wert, angewendet zu werden. In Allah zu vertrauen und für Segnungen im eigenen Leben und das seiner Liebsten zu beten, steht an erster Stelle. Dennoch geht immer damit einher: Trust in Allah, but tie your camel! 😉 6
1 Überlieferungen des Propheten Muhammad(Frieden und Segen Allahs sein mit ihm)
2 Gottesfurcht
3 Garten der Rechtschaffenen, Hadith 720, S. 638.
4 Garten der Rechtschaffenen, Hadith 757, S. 667.
5 https://www.goodreads.com/quotes/445789-when-i-was-17-i-read-a-quote-that-went, zuletzt aufgerufen am 15.02.2020.
6 Sunan al-Tirmidhī 2517