Eine muslimische Menschenrechtlerin, Saba Rana, über Sichtbarkeit, Verantwortung und die Macht der Worte
Von einer Ahmadi-Muslima, Menschenrechtlerin und Referentin, wisschenschaftliche Mitarbeiterin der Ahmadiyya Muslim Juristenvereinigung Deutschland, Saba Rana
Als Ahmadi-Muslima, Menschenrechtlerin und langjährige Referentin für den Interreligiösen Dialog erlebe ich täglich, wie Sprache unsere Gesellschaft prägt – im Guten wie im Schlechten. In diesem Artikel reflektiere ich, wie das Stadtbild Ausdruck unserer Werte ist, und zeige auf, wie politische Rhetorik – insbesondere von höchster Stelle – das gesellschaftliche Klima beeinflusst. Ich berichte aus meiner Perspektive als Aktivistin, Journalistin, Pädagogin und Begleiterin von Menschen in Krisen, und plädiere für eine Haltung, die dem Grundgesetz und der Menschenwürde verpflichtet bleibt.
Wenn ich durch die Straßen meiner Stadt gehe, sehe ich nicht nur Gebäude, Plätze und Verkehr. Ich sehe Ausdrucksformen einer Gesellschaft, die sich in ihrer Vielfalt, aber auch in ihren Spannungen zeigt. Das Stadtbild ist ein Spiegel unserer gemeinsamen Werte – oder manchmal auch ihrer Verletzung.
Als Ahmadi-Muslima und Menschenrechtlerin habe ich mich über viele Jahre für ein Stadtbild eingesetzt, das Vielfalt nicht nur duldet, sondern sichtbar macht. In meiner Rolle als Referentin für den Interreligiösen Dialog habe ich Brücken gebaut, Räume für Begegnung geschaffen und mit meiner Stimme für Verständigung geworben. Besonders prägend war meine Teilnahme an der Kampagne „Ich bin eine Muslima – haben Sie Fragen?“, die den Mut zur Offenheit und den Wert des persönlichen Gesprächs in den Mittelpunkt stellte.
Doch während ich mich für Dialog und Menschenwürde engagiere, beobachte ich mit wachsender Sorge, wie politische Sprache zunehmend zur Waffe wird. Bundeskanzler Friedrich Merz erklärte kürzlich: „Aber wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem“, und ergänzte auf Nachfrage: „Fragen Sie mal Ihre Töchter.“ Diese Aussagen haben viele Menschen mit Migrationsgeschichte – darunter auch mich – tief getroffen. Sie pauschalisieren, stigmatisieren und suggerieren, dass Menschen wie ich ein Problem für das Stadtbild seien. Was bedeutet das für eine Gesellschaft, wenn engagierte Bürgerinnen nicht mehr Teil des Stadtbildes sein sollen?
Als Menschenrechtlerin, die für eine internationale NGO über weltweite Menschenrechtsverletzungen berichtet und diese dokumentiert, erkenne ich die Muster solcher Rhetorik. Ich weiß, wie Sprache Diskriminierung legitimieren kann – und wie sie Türen zu Ausgrenzung und Gewalt öffnet. Deshalb ist es meine Pflicht, nicht zu schweigen.
Ich begleite Menschen in Lebenskrisen, zeige ihnen rechtliche Möglichkeiten auf und
vermittle soziale Verbundenheit. Ich sehe die Auswirkungen solcher politischen Aussagen auf den Alltag von Menschen, die ohnehin mit Vorurteilen kämpfen. Ich sehe, wie sich das Stadtbild verändert – nicht durch Architektur, sondern durch Angst, Rückzug und Unsichtbarkeit.
Als Pädagogin nehme ich die Themen und Sorgen von Jugendlichen ernst. Ich setze mich für innovative Veränderungen in der Gesellschaft ein, indem ich Bildungs- und
Erziehungsaufgaben gestalte, die Werte wie Respekt, Vielfalt und Teilhabe fördern. Mein Engagement beginnt im persönlichen Umfeld – in Gesprächen mit Jugendlichen, in der Begleitung von Familien, in der Bildungsarbeit – und reicht bis in die öffentliche Debatte. Ich verstehe Bildung nicht nur als schulische Aufgabe, sondern als gesellschaftliche Verantwortung, die Räume für Teilhabe, Respekt und Vielfalt schafft.
Ich werde weiterhin für ein Stadtbild kämpfen, das Vielfalt zeigt. Für eine Gesellschaft, die Menschen nicht nach Herkunft oder Aussehen beurteilt, sondern nach ihrem Beitrag, ihrer Würde und ihrem Menschsein. Denn das ist es, was unsere Städte lebendig macht – und unsere Demokratie stark.
Wenn Menschen wie ich – die sich seit Jahren für Dialog, Bildung, Menschenrechte und gesellschaftlichen Zusammenhalt einsetzen – durch solche Aussagen pauschalisiert und mit „Problemen im Stadtbild“ in Verbindung gebracht werden, entsteht ein gefährliches Narrativ: Engagierte Bürgerinnen werden unsichtbar gemacht. Vielfalt wird als Störung dargestellt, nicht als Stärke. Das Stadtbild wird auf äußere Merkmale reduziert – nicht auf Beiträge, Werte oder Engagement.
Die Frage, wie das Stadtbild nach Merz’ Vorstellung aussähe, wenn Menschen wie ich nicht mehr Teil davon wären, ist erschütternd. Es wäre ein Stadtbild ohne gelebte Vielfalt, ohne Brückenbauerinnen, ohne Menschen, die sich für andere einsetzen. Es wäre ein ärmeres, kälteres, weniger menschliches Stadtbild. Gerade deshalb ist es umso wichtiger, dass wir unsere Stimmen erheben und weiterhin sichtbar bleiben – für eine Gesellschaft, die auf Respekt, Teilhabe und Menschlichkeit gründet.
Ein Bundeskanzler sollte sich dabei stets an die Prinzipien des Grundgesetzes und des Völkerrechts halten. Statt spaltender Rhetorik sollte der Fokus darauf liegen, wie Deutschland aus eigenen Fehlern lernt und die Gesellschaft gemeinsam positiv voranbringt.
Ein Blick über die Landesgrenzen zeigt, wie wichtig ein respektvolles und gesetzestreues Verhalten für das Stadtbild ist – nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland. Auf beliebten Urlaubsinseln wie Mallorca oder Ibiza wird das Stadtbild regelmäßig durch das Verhalten einiger deutscher Touristen geprägt, die sich nicht an lokale Gesetze und Regeln halten. Betrunkene Auftritte, Lärmbelästigung und respektloses Verhalten gegenüber Einheimischen sind dort leider keine Seltenheit – und werfen ein negatives Licht auf das Gesamtbild deutscher Reisender. Doch auch hier gilt: Es sind nicht alle so. Es sind wenige, die durch ihr Verhalten auffallen, während viele andere sich respektvoll und verantwortungsbewusst verhalten. Dieser Vergleich zeigt, wie wichtig es ist, Menschen nicht pauschal zu verurteilen, sondern differenziert zu betrachten. Eine solche Gedankenumkehr ist notwendig – sowohl im Inland als auch im Ausland –, um das Positive zu stärken und ein Stadtbild zu fördern, das auf gegenseitigem Respekt und gesellschaftlicher Teilhabe basiert.
Auf internationaler Ebene ist es dabei von zentraler Bedeutung, dass sich Deutschland stets auf die Seite des Völkerrechts stellt – als verlässlicher Partner für Frieden, Gerechtigkeit und Menschenrechte.