Das Kopftuch – ein Hindernis auf meinem Weg?

Ein Beitrag von Sera Varli

Immer wieder wird versucht, einem Steine in den Weg zu legen. Immer wieder begegnen einem neue Hindernisse, die mir das Gefühl geben, als Kopftuchträgerin gesellschaftlich immer noch nicht ganz anerkannt zu sein.

Bis vor einigen Jahren wurde noch von einem generellen Kopftuchverbot für Lehrerinnen gesprochen, welches 2015 jedoch als verfassungswidrig eingestuft wurde.1 Vor einigen Monaten erklärte der Europäische Gerichtshof es als rechtmäßig, dass Arbeitgeber das Tragen eines Kopftuches am Arbeitsplatz auf gesetzlich legitime Weise untersagen können.2 Und nun ist von einem Gesetz die Rede, durch welches das Erscheinungsbild von Beamtinnen und Beamten eingeschränkt werden kann, wenn dieses als der Neutralität zuwider eingestuft wird. Zu einem solchen Erscheinungsbild wird mitunter das Tragen eines Kopftuches gezählt.3

Es ist nicht überraschend, dass dabei die Emotionen, die bei mir insbesondere als kopftuchtragende Lehramtsstudentin entfacht werden, nicht sonderlich positiv sind. Die Freude, einmal vor der eigenen Klasse stehen zu dürfen, sein Wissen mit jungen, (noch) wissbegierigen Menschen teilen zu dürfen, dabei von und miteinander zu lernen – alles scheint von dem einen Moment auf den anderen wie auf Eis gelegt. Es ist das Gefühl, von der Gesellschaft nur auf das Äußere reduziert zu werden, anstatt erst einmal Raum für mitgebrachte Fähigkeiten zu geben.

Schon einige Male musste ich am eigenen Leibe spüren, dass das Kopftuch tatsächlich ein Grund für das Nicht-Einstellen in unterschiedlichsten Berufsgruppen sein kann – ohne, dass es mich in der Ausübung der Tätigkeit auf irgendeine Weise beeinträchtigt hätte. Darüber hinaus bestand zu diesen Zeitpunkten keine gesetzliche Grundlage, auf der die Arbeitgeber hätten argumentieren können. Der Verweis auf das Grundgesetz, in dem zuvorderst die Würde eines jeden Menschen, die freie Selbstbestimmung und die freie Religionsausübung verankert sind, blieb unbeachtet. Das Gleichbehandlungsgesetz? Fehlanzeige. Leider führten diese Argumentationen bei meinem Gegenüber zu nichts…

Es sind also nicht nur Maßnahmen der Politik, mit welchen man als Kopftuchträgerin konfrontiert wird. Es sind auch persönliche Erfahrungen im Alltag einer Muslima, die manchmal mehr, manchmal weniger erfreulich sind. Was ich aber sagen kann, ist, dass mich all diese Vorfälle irgendwie auch bestärkt haben. Bestärkt haben in meinem Willen, nicht aufzugeben, sondern jetzt erst recht meine Ziele zu verfolgen. Ich konnte jedes Mal die Erfahrung machen, dass Allah bessere Wege für mich offen gehalten hat und jedes dieser Ereignisse seinen bestimmten Grund gehabt hat. Mir wurden andere, bessere Angebote eröffnet, die mir wunderbare Erfahrungen für mein weiteres (Berufs-)Leben geschenkt haben. Ich konnte Menschen begegnen, die das Kopftuch nicht als Hindernis in der Berufsausübung gesehen haben, sondern wenn überhaupt als Anstoß zum Dialog – ein Dialog, der sowohl mit Erwachsenen als auch mit Kindern geführt wurde. Es waren Momente, in denen statt auf mein äußeres Erscheinungsbild zu schauen, auf meine erbrachten Fähigkeiten geblickt wurde. Es waren Möglichkeiten, um zu zeigen, dass ich sehr wohl mit Kopftuch ein neutrales Verhalten an den Tag legen kann.

Manchmal können wir nicht vorhersehen, was ein für uns anscheinend negatives Geschehen für positive Auswirkungen auf uns haben wird. Erst kürzlich betonte Seine Heiligkeit Hadhrat Mirza Masroor Ahmad (möge Allah sein Helfer sein), spirituelles Oberhaupt der Ahmadiyya Muslim Gemeinde, in seiner Freitagsansprache die Wichtigkeit von Bittgebeten und legte bezugnehmend auf den Verheißenen Messias (Friede sei auf ihm) die Bedingungen zur Erfüllung dieser dar. Allah, der Barmherzige, wolle, dass Seine Diener sich demütig zu Ihm wenden, Ihn anbeten und Seine Hilfe erflehen.

Rechtschaffenheit und das Schaffen einer wahren Bindung zu Gott seien für die Annahme von Gebeten essentielle Voraussetzungen. Manchmal stelle allerdings das Gebet, das nicht so angenommen wurde, wie es gewünscht wurde, eine Form der Annahme des Gebets dar. Seine Heiligkeit verwies dabei auf die Allwissenheit Gottes und erklärte, dass Allah alle Gebete Seiner Diener höre und ihnen dabei das gewähre, was für sie am besten ist.4 Mit dem Vertrauen auf die Weisheit Gottes sollten wir daher auch immer dafür beten, dass Allah uns das ermöglichen möge, was für uns alle das Segensreichste ist.

In einem für mich sehr inspirierenden Zitat heißt es:


Auch aus Steinen, die dir in den Weg gelegt werden, kannst du etwas Schönes bauen.5

Genauso sollten wir solche Hindernisse als Anlass dafür nehmen, uns nicht unterkriegen zu lassen, sondern im Gegenteil unsere Stimmen zu erheben und für unsere Rechte einzustehen. Wir sollten versuchen, das Beste aus der Situation zu machen und uns gegenseitig dazu ermutigen, nicht aufzugeben. Wir dürfen nie vergessen, dass das stärkste Mittel das Gebet ist und Allah diejenigen hört, die zu Ihm beten. Möge Allah jegliche Schwierigkeiten auf unserem Weg beseitigen und es uns ermöglichen, aus den Steinen, die uns in den Weg gelegt werden, das Bestmögliche zu machen. Mögen wir immer an unserem Glauben festhalten und die Schönheiten dieser Lehre mit Weisheit auch an unsere Mitmenschen tragen. Amin

Quellen:

1 Vgl. Bundesverfassungsgericht: Ein pauschales Kopftuchverbot für Lehrkräfte in öffentlichen Schulen ist mit der Verfassung nicht vereinbar. Pressemitteilung vom Nr. 14/2015 vom 13. März 2015. Beschluss vom 27. Januar 2015. https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/ 2015/bvg15-014.html. (letzter Zugriff am: 07.05.2021)

2 Vgl. Tagesschau: EuGH-Gutachten. Kopftuch-Verbot am Arbeitsplatz ist zulässig. 25.02.2021. https:// www.tagesschau.de/ausland/kopftuch-arbeitsplatz-eugh-101.html. (letzter Zugriff am: 07.05.2021)

3 Vgl. Frankfurter Allgemeine Zeitung: Kritik von Islam-Verbänden. Schärfere Regeln für das Erscheinungsbild von Beamten. 07.05.2021. https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/bundesrat-billigt-regelung-zum- erscheinungsbild-von-beamten-17331914.html. (letzter Zugriff am: 08.05.2021)

4 Vgl. Die Revue der Religionen: Zusammenfassung der Freitagsansprache vom 16. April 2021. Ramadan – die Philosophie der Gebetserhöhung. 16.04.2021. https://www.revuederreligionen.de/zusammenfassung-der- freitagsansprache-vom-16-april-2021/. (letzter Zugriff am: 08.05.2021)

5 O.A. zit. n. dpa. In: news aktuell: Keine Belege für “Steine”-Zitat bei Erich Kästner. https://www.presseportal.de/ pm/133833/4616521. (letzter Zugriff am: 08.05.2021)