Drei Frauen erzählen, was sie vom Kopftuch halten
Heute ist „World Hijab Day“ und die Schlagzeile „Frauen erzählen, was sie vom Kopftuch halten“ titelt bei der Bild-Zeitung. Der erste Eindruck täuscht, denn es geht nicht um diverse Meinungen zum Kopftuch. Beim Lesen wird mir schnell klar, dass Sichtweisen von drei Ex-Musliminnen aufgezeigt werden, die alle drei aus muslimischen Ländern nach Deutschland geflohen sind. Ihre Forderung: „No-Hijab Day“. Als Muslima, die selbst Kopftuch trägt, kann ich diese Forderung nicht nachvollziehen.
Im Mittelpunkt des Beitrags stehen die Schicksalsschläge dreier Frauen. In Saudi-Arabien, Irak und Iran erlebten sie Unterdrückung aufgrund der dort vorherrschenden Gesetze und Praktiken. Gleichzeitig fordern sie Feminist*innen und Frauenrechtsorganisationen dazu auf, sich auch in Deutschland gegen ein Kopftuch zu positionieren.
Während sie selbst von der gewonnenen Freiheit und Selbstbestimmung in Deutschland profitieren, sprechen sie selbstbewussten Kopftuchträgerinnen ihre Mündigkeit ab. Sie hätten keine Erfahrungen in einer muslimischen Gesellschaft gemacht und so sei es einfacher in einem freien Land für ein Kopftuch zu kämpfen. Anstatt eine solidarische feministische Grundhaltung einzunehmen und für die Bedürfnisse und Rechte aller Frauen gleichermaßen einzustehen, sprechen sie Frauen mit Kopftuch die Selbstbestimmung und Willensfreiheit ab.
Als gläubige Muslima, die in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, weiß ich, wie es ist, ständig die Frage gestellt zu bekommen, ob man zum Kopftuch gezwungen wurde. Häufig kommt es dazu, dass man Frauen mit Kopftuch unterstellt, sich nicht kritisch damit auseinandersetzen zu können. Während weiße Feministinnen von der Befreiung der Frau sprechen, bedient man sich bei der muslimischen Frau immer noch an einem Frauenbild aus dem 18. Jahrhundert: Das weibliche Wesen, das nicht in der Lage ist, analytisches Denkvermögen zu besitzen. Muslimische Frauen müssen heute noch unter einem gesellschaftlich propagierten Frauenbild leiden, das ihnen das selbstständige Denken, teilweise den Verstand ganz aberkennt.
Das was im Iran, Saudi-Arabien und Irak passiert, ist Unterdrückung und muss auch als solche benannt werden. Es ist jedoch der falsche Weg, aufgeklärten Muslim*innen in Deutschland ihre Selbstbestimmungsrechte aufgrund von Unrechtserfahrungen in anderen Ländern abzusprechen.
Als muslimische Frau, habe ich die gleiche Bildung genossen wie meine Mitschülerinnen und Mitschüler. Ich habe mich genauso mit meiner eigenen Religion auseinandergesetzt, wie es auch viele andere Jugendliche in ihrer Pubertät gemacht haben. Es ist absurd, ständig die Lebensrealitäten von Muslim*innen in sogenannten muslimischen Ländern zu sprechen, wenn wir Entscheidungen über eine postmigrantische Generation fällen möchten, die längst in Deutschland angekommen ist. Viele muslimische Frauen mit Kopftuch, sehen in Deutschland selbstverständlich ihre Heimat. Sie möchte genauso teilhaben, mitreden und mitbestimmen Es gilt zu differenzieren, wenn wir über eine Gruppe von Frauen sprechen, sonst passiert das, was die AfD proaktiv betreibt: Stereotypisierung und Diffamierung einer ganzen Minderheit.
Es ist bedauernswert, dass sich nichts verändert hat für einen Teil der Frauen. Eine marginalisierte Gruppe an Frauen wird immer wieder zur Angriffsfläche erklärt. Mit solchen Beiträgen und Aufforderungen verstärkt man diese Abwärtsspirale. Anstatt der zunehmenden gesellschaftlichen Spaltung entgegenzuwirken und gemeinsam für ein diverses Frauenbild in Deutschland einzustehen, drängen wir somit, muslimische Frauen immer mehr an den Rand der Gesellschaft.
Der BILD-Beitrag ist ein Konglomerat von Verallgemeinerungen. Eine solche Sichtweise schmeißt uns in dem Diskurs wieder meilenweit zurück. Wir müssen endlich anfangen Frauen in ihrer Individualität wahrzunehmen. Wie eine Frau sich kleiden möchte und aus welchen Gründen auch immer, sollte ihr selbst überlassen werden. Anstatt muslimische Frauen noch heute als fremden Teil der Gesellschaft zu sehen, müssen wir erkennen, dass sie sich längt in unserer Mitte befinden! Und so verdienen sie die gleichen Chancen, um die Gesellschaft mitzugestalten.